Geschichte des Bruderhofs
Der Bruderhof wurde vor etwas mehr als einem Jahrhundert in dem kleinen hessischen Dorf Sannerz gegründet und ist seither auch von den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt und angetrieben worden. Obwohl es uns durch manche Herausforderungen und Veränderungen auf mehrere Kontinente verschlagen hat, erkennen wir klar Gottes Bewahrung und Führung in all den Jahren seit unseren Anfängen 1920.
Klicken Sie sich durch die Zeitleiste unten für einen historischen Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart.
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1920: SANNERZ BRUDERHOF GEGRÜNDET
Der Bruderhof wurde 1920 von dem deutschen protestantischen Theologen Eberhard Arnold, seiner Frau Emmy und deren Schwester Else von Hollander gegründet. Auf der Suche nach Antworten auf die Hoffnungslosigkeit im Nachkriegsdeutschland und frustriert vom Schweigen der etablierten Kirchen verließen sie das chaotische Berlin und zogen in das kleine Dorf Sannerz. Dort gründeten sie mit einer kleinen Gruppe ähnlich denkender Christen und angeregt durch das Vorbild der Urgemeinde in Jerusalem die erste Gemeinschaft.
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1933: WACHSTUM UND VERFOLGUNG DURCH DIE NATIONALSOZIALISTEN
In den ersten Jahren wuchs der Bruderhof schnell auf über 100 Personen an. Sie lebten von Landwirtschaft und dem Verkauf von Publikationen aus ihrem eigenen Verlag, bis heute bekannt als Plough. Geld hatten sie nur wenig, auch, weil ihre Tür immer offen stand für Waisen, alleinerziehende Mütter und andere, die Hilfe brauchten. Die Armut verschärfte sich nach 1933, als die Nationalsozialisten den Verkauf ihrer Schriften und handwerklichen Erzeugnisse verboten.
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1936: EIN NEUER ANFANG IN ENGLAND
1936 wurde eine Farm in den Cotswolds in England gekauft. Diese Gemeinschaft wurde als Missionsposten gegründet, aber auch als Zufluchtsort, sollte die Verfolgung durch die Nazis die Gemeinschaft zur weiteren Flucht zwingen.
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1937: GESTAPO-RAZZIA AUF EINEM DEUTSCHEN BRUDERHOF
1937 umzingelten SS-Sturmtruppen die Gemeinschaft und verhafteten etliche Mitglieder. Der Rest bekam 48 Stunden Zeit, um Deutschland zu verlassen. Ein Gestapomitglied vermerkte in einer internen Notiz, der Bruderhof vertrete eine Weltanschauung, die nicht mit dem Nationalsozialismus zu vereinbaren sei. Diese beinhaltete die Verweigerung des Hitlergrußes, des Militärdienstes und eines Nazis als Lehrer.
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1937: FLUCHT AUS DEUTSCHLAND
Es gelang den Ausgewiesenen, sich via Liechtenstein und Holland nach England durchzuschlagen, wo sie sich ihren Geschwistern auf dem Cotswolds-Bruderhof anschlossen. Auch die Verhafteten konnten fliehen und fanden ihren Weg nach England.
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1938: NEUE MITGLIEDER IN ENGLAND
In den nächsten Jahren wuchs die neue Gemeinschaft schnell auf über 350 Mitglieder. Viele hatten die Schrecken des Ersten Weltkriegs erlebt. Sie wollten ihr ganzes Leben einem Weg des Friedens widmen, besuchten den Bruderhof und schlossen sich ihm später ganz an. Andere hörten vom Bruderhof von Mitgliedern, die durch England reisten, um Interessierten die Arbeit vorzustellen. Manche lasen die Publikationen des Bruderhofs, darunter das Plough-Magazin.
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1939: AUSBRUCH DES ZWEITEN WELTKRIEGS
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs weckte die Mischung aus deutschen und englischen Mitgliedern das Misstrauen der örtlichen Bevölkerung, es kam zu einem Boykott der Gemeinschaftsfarm. Ab 1940 begann die britische Regierung Bürger des feindlichen Auslandes zu internieren, was der Gemeinschaft nur zwei Möglichkeiten offenließ: Entweder zu akzeptieren, dass alle deutschen Mitglieder verhaftet werden würden oder das Land als Gruppe zu verlassen. Entschlossen, zusammenzubleiben, suchten die Bruderhof-Mitglieder Zuflucht im Ausland.
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1941: REISE NACH PARAGUAY
Während der Kriegsjahre war nur ein Land bereit, eine multinationale Gruppe von Pazifisten aufzunehmen: Paraguay jenseits des von U-Booten wimmelnden atlantischen Ozeans. Ende 1941 waren alle Mitglieder des Bruderhofs umgesiedelt, bis auf die drei in England verbliebenen Geschwister, die das Anwesen in den Cotswolds verkaufen sollten. Es galt die Gemeinschaft im Dschungel neu aufzubauen.
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1942: EIN SCHWIERIGES LEBEN
Das Klima war rau und ungewohnt, tropische Krankheiten und beschränkte Reisemöglichkeiten erschwerten zudem das Leben in Paraguay. Dennoch gelang es in den nächsten zwanzig Jahren, drei Siedlungen im Land aufzubauen und ein Krankenhaus einzurichten, das der Gemeinschaft und zehntausenden indigener Paraguayer diente.
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1942: WHEATHILL IN ENGLAND
Obwohl die meisten Mitglieder nach Südamerika geflohen waren, fühlten so viele englische Pazifisten den Ruf, sich dem Bruderhof anzuschließen, dass den drei zurückgebliebenen Mitgliedern die Aufgabe zufiel, einen Bauernhof in Shropshire zu kaufen und dort eine neue Gemeinschaft zu gründen.
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1954: WOODCREST GEMEINSCHAFT IN NEW YORK
Nach dem Zweiten Weltkrieg reisten Dutzende junger Amerikaner mit Interesse am gemeinsamen Leben nach Paraguay. Anfang der 1950er waren viele Mitglieder geworden, so konnte 1954 der erste Bruderhof in Nordamerika, Woodcrest unweit von New York im Hudsontal, gegründet werden. Auch in Europa waren weitere Siedlungen gegründet worden. Bis 1962 wurden alle Niederlassungen in Paraguay geschlossen und die Mitglieder zogen in die USA und nach Europa. Man begann mit der Herstellung von Holzspielzeug für Kinder, der Verkauf dieser „Community Playthings“ sicherte den Unterhalt der Gemeinschaft.
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1965: ENGAGEMENT IN DER BÜRGERRECHTSBEWEGUNG
Im März 1965 reisten zwei Brüder nach Alabama zur Beerdigung von Jimmy Lee Jackson, einem Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung, der von Bundespolizisten während einer friedlichen Wahlrechtskundgebung erschlagen worden war. In den folgenden Wochen reisten mehrfach Bruderhofgruppen in den Süden, darunter eine, die am Marsch von Selma nach Montgomery teilnahm.
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1971: DARVELL GEMEINSCHAFT IN ENGLAND
1971 wurde in England ein neuer Bruderhof mit dem Auftrag gegründet, Menschen in Europa zu erreichen, die nicht in die USA reisen konnten. Die Anlage in der Nähe der geschichtsträchtigen Stadt Hastings war zuvor ein Sanatorium für Tuberkulosekranke.
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1977: RIFTON EQUIPMENT
Rifton Equipment begann als Ableger von Community Playthings. Während eines Besuchs in einem Heim für Kinder mit Behinderungen in Connecticut wurden die Designer vom Bruderhof gebeten, einen maßgefertigten Stuhl für einen Bewohner zu bauen. Heute hat Rifton eine ganze Produktpalette für Menschen mit Behinderungen und vertreibt sie in den USA und weltweit.
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1985: NEUE GEMEINSCHAFTEN IN DEN USA UND ENGLAND
In den nächsten Jahren wuchs der Bruderhof weiter. In den 1980ern und 1990ern entstanden weitere Siedlungen, wie Maple Ridge, Spring Valley, Platte Clove, Beech Grove, and Fox Hill. In jeder dieser Siedlungen leben mehrere hundert Menschen.
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1999: BRUDERHOF IN AUSTRALIEN
Danthonia, der erste Bruderhof in Australien, wurde 1999 gegründet. Die Farm im nördlichen New South Wales gehörte ursprünglich einer Familie, die Schafe und Rinder züchtete. 2005 wurde eine Hausgemeinschaft in der Stadt Armidale begonnen.
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1999: DEN TEUFELSKREIS DURCHBRECHEN
Nach dem Amoklauf an der Schule von Columbine begann der Bruderhofälteste Johann Christoph Arnold gemeinsam mit dem New Yorker Polizisten Steven McDonald an Schulen über die Kraft der Vergebung zu sprechen. Ihr Programm mit dem Titel Breaking the Cycle wurde seither an über 800 Schulen in den USA, in Nordirland, Israel, England und Rwanda vorgestellt.
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2002: RÜCKKEHR NACH DEUTSCHLAND
2002 konnte der Bruderhof in das Haus am Rand des kleinen Dorfs Sannerz zurückkehren, wo die Gemeinschaft seinerzeit gegründet worden war. Dort lebende Mitglieder fühlen sich von der Geschichte des Ortes unweigerlich bewegt. Zwei Jahre später wurde Holzland in Thüringen gegründet.
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2003: LEBEN IN DER STADT
2003 startete das erste städtische „Bruderhof Haus“ in Camden, New Jersey, um Menschen in einem anderen Umfeld zu erreichen. Dieses Gemeinschaftsmodell findet sich inzwischen auch in New York, Albany, Pittsburgh, St. Petersburg (FL), London und anderen Städten.
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2009: ZURÜCK NACH PARAGUAY
2009 begann in Asunción die kleine Siedlung Villa Primavera und damit die Rückkehr in das Land, das uns in den 1940ern und 1950ern aufgenommen hatte.
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2012: THE MOUNT ACADEMY
In einem vormaligen Seminar der Redemptoristenbrüder am Ufer des Hudson öffnete 2012 die Mount Academy ihre Türen als ein staatlich anerkanntes privates Gymnasium für Jugendliche, deren Eltern zum Bruderhof gehören und für Schüler aus der Umgebung und aus Übersee.
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2013: UMZUG VON PLOUGH PUBLISHING NACH WALDEN, NEW YORK
Plough Publishing, der Verlag, der seit Gründung der Gemeinschaft Bücher und Magazine produziert, eröffnete 2013 neue Büroräume in der Fox Hill Gemeinschaft in New York.
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2021: BRUDERHOF IN ÖSTERREICH
2021 wurde ein aufgegebener Konvent, eine knappe Autostunde von Wien entfernt, erworben, auf dessen Gelände heute etwa 30 Personen leben. Den Bruderhof in Österreich hießen auch kirchliche Würdenträger wie Kardinal Christoph Schönborn herzlich willkommen. Für den Bruderhof ist Österreich historisch bedeutsam, da im 16. Jahrhundert Täufer dort erstmalig in Gütergemeinschaft gelebt hatten.
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2022: YEONGWOL IN SÜDKOREA
Seit Jahrzehnten kamen am gemeinsamen Leben interessierte Christen aus Korea als Gäste zu uns, und einige waren in die Mitgliedschaft aufgenommen worden. 2022 konnten wir eine kleine Siedlung mit drei Häusern auf einem kleinen Grundstück etwa fünf Autostunden östlich von Seoul gründen.