Leben in Gemeinschaft

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Das gesamte Leben innerhalb unserer Gemeinschaft muss ein Sakrament sein, ein lebendiges Zeichen, das Gottes Berufung für die gesamte Menschheit veranschaulicht. Wir wollen nicht bis Christi Wiederkunft auf Frieden und Gerechtigkeit warten. Wir möchten zeigen, dass im gemeinsamen Leben von Arbeit und Gebet die Eintracht seines kommenden Reiches schon heute in unserem täglichen Leben erfahren werden kann.

Eph 3,10-11
Mt 6,33; 2 Kor 5,17-21
1 Petr 2,9-12
2 Petr 3,11-15; 2 Mose 34,10

Äußerlich betrachtet nimmt unser Gemeinschaftsleben verschiedene Formen an, so wie der Geist es fügt. Sprache, Kultur und Gebräuche ändern sich mit Zeiten und Orten. Manche Bruderhöfe sind ländlich, andere städtisch. Manche haben nur eine Handvoll Mitlebender, andere haben Hunderte. Manchmal leben einzelne Mitglieder um der Verkündigung des Evangeliums oder eines anderen Auftrags willen über Monate oder Jahre hinweg entfernt von unseren Bruderhöfen. Doch verbindet diese verschiedenen Umstände eine grundlegende Einheit: unser gemeinsamer Glaube an die eine Taufe, die eine Berufung, das eine öffentliche Gelübde und den einen Geist der Liebe, der uns in allen Dingen führt.

Eph 4,1-6; Gal 3,26-28

Gebet

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Mit dem ‚Vater Unser‘ lehrte uns Christus das Beten und versprach: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden.“ Ohne Unterlass sollen wir beten. Das Gebet ist das Lebensblut unserer Gemeinschaft sowohl im persönlichen Leben eines jeden Mitglieds als auch in den täglichen Zusammenkünften der Gemeinde.

Mt 6,9-15
Mk 11,24
1 Thess 5,17
2 Kor 1,11; Phil 1,19
Apg 2,42; Eph 6,18

Wenn wir zusammen beten, müssen wir demütig vor Gott treten. Bei gesprochenen Gebeten sind wir um Schlichtheit bemüht. Wir haben keine feste Liturgie, keine geweihten Gebäude, sondern wollen „in Geist und Wahrheit“ zu Gott beten. Wir versammeln uns oft im Freien, wo die Schönheit der Natur unsere Herzen erhebt und uns an die Größe des Schöpfers erinnert.

Mt 6,5-8
Joh 4,21-24
Ps 121,1-2

  • Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.

    Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten:

    Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe Wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, Sondern erlöse uns von dem Bösen.

    Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

    —Matthäus 6,1.7–15

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Das Gebet kann viele Formen haben. So ist das stille Gebet ein wesentlicher Teil unseres Gemeinschaftslebens. Wir erkennen auch die Bedeutung des freiwilligen Fastens (für Erwachsene) als eine Form intensiveren Betens an. Ferner können Gesang und Musik auch eine Form des Gebetes sein. Viele der von uns gesungenen Lieder mögen überhaupt nicht religiös erscheinen, denn sie besingen die Natur oder die Liebe. Sie bringen aber oft unseren Wunsch, Gott, den Schöpfer aller Dinge, zu ehren, am besten zum Ausdruck.

Röm 8,26-27; Ps 46,10
Mt 4,2; 6,16-18
Apg 13,2-3; Joel 2,12-13
Ps 98, Kol 3,16

Gütergemeinschaft

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Die Gütergemeinschaft und die gemeinsame Kasse spiegeln im praktischen Leben die Berufung der kirchlichen Gemeinschaft wider. Deshalb erhalten wir von der Gemeinschaft weder Gehalt oder Honorar noch ein persönliches Taschengeld. Die Mitglieder übergeben sämtliche Einkünfte, Vermögen und Anrechte an die Gemeinschaft, und erhalten das zum Leben Notwendige wie z.B. Verpflegung, Kleidung und Unterkunft. Jeder von uns ist der Gemeinschaft über das ihm anvertraute Geld rechenschaftspflichtig. In unserem täglichen Leben versuchen wir, bescheiden zu leben, aber großzügig zu geben, um so ein Übermaß zu vermeiden und frei von den Fesseln des Materialismus zu bleiben. Mit dieser Praxis möchten wir bezeugen, dass durch ein gemeinsames Haushalten alles, was wir haben, jedem Bedürftigen zur Verfügung steht. Dies gilt zuallererst innerhalb unserer eigenen Gemeinschaft, denn kein Bruderhof soll reicher oder ärmer sein.

Apg 2, Apg 4
1 Tim 6,6-10; Hebr 13,5-6
Lk 6,38; Spr 11,24-26
Mt 13,22-23; Lk 12,13-21
Apg 4,34-35
2 Kor 8,13-15

87

Um die Zwecke der Gemeinschaft zu verwirklichen, kann es notwendig sein, Rechtsträger zu errichten, u.a. um Immobilien eintragen zu lassen oder einen Gewerbebetrieb zu führen (Gemeinschaftsunternehmen). Sollte ein solcher Rechtsträger jemals aufgelöst werden, kann aus dem verbleibenden Vermögen kein Mitglied irgendetwas für sich persönlich erlangen, da jeder Vermögenswert ausschließlich für die Zwecke der Gemeinschaft bestimmt ist und damit für die Sache Christi und für die Armen. Dieses Verständnis findet sich in den Satzungen aller unserer Gemeinschaftsunternehmen.

88

Jeder Bruderhof ernennt einen Haushalter, der die praktischen Belange zu regeln hat und mit Sorgfalt für das Wohl eines jeden auf dem Bruderhof mitlebenden Bewohners zu sorgen hat. Die Haushalter arbeiten eng mit der pastoralen Leitung zusammen. Der Haushalter legt Gott und den Mitgliedern gegenüber Rechenschaft über seine Arbeit ab.

Apg 6,1-7

Gemeinsame Arbeit

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Die Arbeit kann nicht vom Gebet und das Gebet nicht von der Arbeit getrennt werden. So ist unsere Arbeit auch Gottesdienst, da unser Glaube und Alltag ein einziges Ganzes bilden. Denn auch die kleinste Aufgabe kann Gott als Gebet geweiht sein, wenn sie liebevoll und mit Hingabe so geleistet wird, dass sie für Christus selbst getan ist. In Worten, aber nicht in Taten zu beten, ist Heuchelei.

Kol 3,17.23-24; Jak 2,26
Jes 58,1-10
Mt 25,31-46
Am 5,21-24

Die Arbeit ist Gebot Gottes und ist ein Wert in sich. Gott gab die Erde den Menschen zur Freude, um sie zu kultivieren und als gute Verwalter an seiner Statt ehrfürchtig zu pflegen. Deshalb schätzen wir die Arbeit auf dem Lande. Wir würdigen die körperliche Arbeit, die Kraftanstrengung der Muskeln und Hände und des Handwerkers Geschick. Wir schätzen ebenso die geistige Tätigkeit, das inspirierte Schaffen des Künstlers, das Forschen des Wissenschaftlers, die Kreativität des Erfinders und die Fertigkeiten des Fachmanns. Welcher Art auch immer unsere Arbeit sein mag, wir sind aufgefordert, sie nach unseren besten Möglichkeiten zum Dienst des Reiches Gottes zu verrichten.

1 Mose 2,5; 2 Thess 3,6-13
1 Mose 1,26-28; 2,15
Apg 20,34-35; Eph 4,28
Exod 31:3–5
Lk 1,1-4
Tit 3,13-14

Im Gemeinschaftsleben dient die Arbeit nicht an erster Stelle kommerziellen Zwecken und ihr Wert lässt sich daher nicht nach Leistung und Gewinn messen. So ist auch keine Arbeit privilegiert oder stigmatisiert. Beispielsweise ist die Arbeit in der Wäscherei genauso angesehen wie die Arbeit eines Technikers oder Arztes. Wir sind alle Brüder und Schwestern und keiner steht höher oder niedriger. Dementsprechend haben unsere Beziehungen untereinander niemals den Charakter eines vertraglich geregelten Über- und Unterordnungsverhältnisses, wie es typisch für ein Arbeitsverhältnis ist. Vielmehr sind wir gerufen, von einer anderen Sozial- und Wirtschaftsordnung Zeugnis zu geben, die auf Glauben, Liebe und gegenseitigem Vertrauen beruht.

1 Kor 12,12-31
Jak 2,1-9
Phlm 1,14-16
Mt 20,20-28

90

Weil die gemeinsame Arbeit ein ebenso integraler Bestandteil unserer Berufung wie die Gütergemeinschaft ist, können wir weder von der Gemeinschaft noch voneinander eine Vergütung für die geleistete Arbeit verlangen. Die Fürsorge, die uns in Form von Nahrung, Unterkunft, medizinischer Versorgung und anderen Lebensnotwendigkeiten zuteil wird, erhalten wir nicht etwa in Erfüllung eines Anspruchs oder im Verhältnis zu erbrachten Leistungen, sondern nach Bedarf. Dem Armutsgelübde der Mitglieder sowie dem Glauben und der Praxis unseres gemeinsamen Lebens entsprechend, erhält kein am Gemeinschaftsleben Teilnehmender für das von ihm Eingebrachte, sei es in Form von Arbeit oder anderweitig, irgendeine Kompensation.

Apg 4,34-35

Im Auftrag der Liebe zu arbeiten, ist unsere Freude. Wir bringen, soweit es uns möglich ist, bis ans Ende unseres Lebens unsere Talente und Kräfte ein. Wir sind nicht zu einem bestimmten Beruf oder Gewerbe berufen, sondern zu einem Leben in Gemeinschaft. Keinem von uns geht es darum, eine Karriere zu machen. Wir sind bereit, unsere Arbeitskraft so einzusetzen, wie sie benötigt wird, ungeachtet unserer Vorlieben oder unserer vorherigen Ausbildung und Erfahrung. So sind wir auch jederzeit bereit, eine andere Aufgabe zu übernehmen.

Lk 19,11-27; 1 Petr 4,10-11

91

Jeder Bruderhof ernennt bestimmte Mitglieder, die die gemeinsame Arbeit koordinieren, sich um das Wohlergehen aller Arbeitenden kümmern und sicherstellen, dass die Arbeitsunfähigen versorgt sind.

92

Die Einnahmen aus den Gemeinschaftsunternehmen werden zur Verwirklichung des Auftrags der Gemeinschaft verwendet, welche sind: Verkündigung des Evangeliums, Aufbau und Erhalt des gemeinschaftlichen Lebens, Bildungsarbeit, Hilfe für Bedürftige und Gastfreundschaft.

Notwendigerweise agieren diese Unternehmen in einem Wirtschaftssystem, dessen Werte von denen abweichen können, die unser Leben innerhalb der Gemeinde bestimmen. Es ist daher umso wichtiger, dass jedes Gemeinschaftsunternehmen unseren Auftrag und unser Bekenntnis widerspiegelt und sich beiden unterordnet, selbst wenn es auf Kosten der Effizienz und Profitabilität geht. Unsere Leitlinien sind:

Lk 16,1-13

Solidarität: Christi Goldene Regel – „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ – erfordert Solidarität mit allen Menschen und Achtung ihrer Würde als im Ebenbild Gottes erschaffene Mitmenschen. Es ist eine Sünde, andere nur als Mittel zu einem ökonomischen Zweck zu behandeln.

Mt 7,12
Jes 10,1-4
Jak 5,1-6

Ethisches Handeln: Die Schrift verlangt von uns ehrliches Handeln, die Beachtung des jeweiligen Landesrechts und die Rücksichtnahme auf die Rechte und Bedürfnisse anderer. Die Art und Weise, wie wir unsere Unternehmen führen, sollte davon Zeugnis ablegen.

2 Kor 8,16-21; 1 Petr 2,12-17
Spr 11,1
5 Mose 5,19-20

Arbeitsethos: Wir bemühen uns, fleißig zu arbeiten und bei allem, was wir herstellen, eine hohe Verarbeitungsqualität zu erhalten. Dies soll auch die Liebe widerspiegeln, mit der wir unsere Arbeit verrichten.

Spr 6,6-11
2 Mose 35,4-36,7

Pflege und Erhaltung der Schöpfung: Die Natur ist ein Werk Gottes, das uns seine Liebe und Herrlichkeit offenbart. Er hat sie uns zur sorgsamen Pflege anvertraut. Beim Umgang mit der Erde und ihren Ressourcen sollten wir uns stets von der Achtung für seine Schöpfung leiten lassen.

Ps 19,1-6; Röm 1,20
Ps 8,3-9

Wir erkennen an, dass alle Einkünfte, die von den Gemeinschaftsunternehmen erzielt werden, letztendlich nicht unsere Leistung sind, sondern eine Gabe Gottes, die wir zu seinem Dienste einzusetzen haben.

5 Mose 8,17-18

Gegenseitige Fürsorge

93

Aufgrund unseres gemeinsamen Lebens haben wir in jeder Lebensphase die Gelegenheit, uns gegenseitig Liebe zu erweisen, angefangen bei der Begrüßung eines Neugeborenen bis hin zur Pflege der älteren Brüder und Schwestern in den letzten Jahren ihres Lebens. Die Taten der Liebe sind keine Routine, sondern etwas Persönliches. Wir blicken hier auf Christus, der seinen Jüngern die Füße wusch. „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“

1 Joh 3,16-17
Joh 13,1-17
Gal 6,2

So wollen wir besonders an die denken, die Lasten zu tragen haben: an Witwen und Witwer, an Waisen, an Menschen mit Behinderungen, an Menschen mit psychischen und physischen Erkrankungen und an die Einsamen. So wird Jesu Versprechen wahr werden, dass ein jeder, der seinetwillen Familie und Haus zurückgelassen hat, dafür „hundertfach empfange: ... Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker.“

Jak 1,27; 1 Tim 5,1-16
Phil 2,25-30
Mk 10,28-31

94

Wir sind dankbar für die von Gott gegebene Hilfe der medizinischen Wissenschaft, mit der Leben erhalten und Leiden gelindert werden kann. Wir bemühen uns, einen hohen Standard an medizinischer Versorgung für alle Brüder, Schwestern und Kinder in der Gemeinschaft sicherzustellen. So haben viele unserer Bruderhöfe Ärzte und Zahnärzte, die professionelle Versorgung anbieten oder Patienten bei einem Krankenhausaufenthalt unterstützen können.

Andererseits sind wir uns bewusst, dass Anfang und Ende unseres Lebens von Gott gegeben sind und dass dieses Leben letztlich nicht allein von den medizinischen Möglichkeiten bestimmt werden soll. Wenn beispielsweise ein Bruder oder eine Schwester sich im Falle einer unheilbaren Krankheit dazu entscheidet, bestimmte lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen, wird diese Entscheidung respektiert. Diese Person wird umso stärker durch Gebete, Pflege und Unterstützung seitens ihrer Brüder und Schwestern getragen und umsorgt.

Mt 6,27
Hiob 1,20-21; 5 Mose 32-39

95

Bei einem Todesfall in unseren Gemeinschaften halten die Brüder und Schwestern vor der Beerdigung durchgängig Wacht bei dem Verstorbenen, damit möglichst viele sich verabschieden können. Im Anschluss versammelt sich die Gemeinde zum letzten Liebesdienst: den Leichnam zu einem unserer Friedhöfe zu tragen, um ihn dort zu beerdigen, bis der Tag der Auferstehung kommt.

1 Kor 15,51-57

Kinder und Familie

96

Jesus sagt, „Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich.“ Kinder sind uns ein Herzensanliegen, denn sie erinnern uns daran, was es heißt, zu vertrauen und im Herzen freimütig zu sein. Wir begrüßen jedes Kind, so wie auch Jesus jedes Kind willkommen hieß. Wir erkennen in allen Kindern, insbesondere in den Ungeborenen, die Verbindung zwischen dem menschlichen Leben und der Ewigkeit.

Mt 19,14
Mt 21,16
1 Petr 2,1-3
Mt 18,1-6; Jes 11,6
Lk 1,39-45; Ps 139,13-14
Pred 11,5; Mt 18,10

97

Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern ist Schöpfung Gottes und muss heilig gehalten werden. Es ist eine von Gott gegebene Aufgabe der Eltern, ihre Kinder an Gottes Statt zu erziehen. Diesen Aspekt der Eltern-Kind Beziehung ehrfürchtig zu achten, ist die Essenz des wahren Familienlebens. Denn die Grundeinheit der Gemeinschaft ist die Familie.

In unseren Gemeinschaften gibt es auch alleinerziehende Eltern. Die Mitglieder unterstützen diese, um sicher zu stellen, dass deren Kinder ebenfalls mit männlichen und weiblichen Mentoren und Vorbildern aufwachsen.

Jede Familie in unseren Gemeinschaften erhält ihre eigenen Wohnräume, in denen sie ein von Sicherheit und Frieden geprägtes Zuhause errichten kann. Für uns ist es wichtig, dass wir die Zeit zuhause mit unseren Kindern erfüllt leben. Dazu gehören tägliche Mahlzeiten um den Familientisch herum und das Vermeiden von arbeitsbedingten Ablenkungen und sonstigen Unterbrechungen.

1 Mose 1,27-28; 2,21-25
Eph 6,1-4; Kol 3,20-21

98

Die unverheirateten Männer und Frauen sind ein wesentlicher Bestandteil unseres gemeinsamen Lebens. Alleinstehende, deren Familien anderswo leben, werden für die Mahlzeiten, Wochenenden und Feiertage in die Tischgemeinschaft einer Familie aufgenommen.

Wir achten die besondere Aufgabe der Mitglieder, die aus eigener Wahl oder aufgrund von anderen Umständen unverheiratet bleiben. Sie haben eine edle Berufung im Auftrag der Liebe, weil sie sich auf ganz besondere Art und Weise anderen selbstlos hingeben können. Aufgrund ihres zölibatären Lebens legen sie sichtbar Zeugnis ab für Jesu Ruf zur Reinheit und Einfalt des Herzens. Somit bezeugen sie, dass wahre Erfüllung darin besteht, alles um seinetwillen zu lassen.

1 Kor 7,25-40
1 Tim 5,9-10
Mt 19,10-11
Mk 10,28-30

99

Jesus liebte seine Mutter und Geschwister und erklärte dennoch mit eindrücklichen Worten, dass der Gehorsam gegenüber dem Evangelium Vorrang hat vor den Familienbanden: „Als er noch zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden. Da sprach einer zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir reden. Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.“

Joh 19,25-27
Lk 14,26; Mt 10,35-37
Mt 12,46-50

Die Treue zu Jesus über alles andere zu stellen, kann schwierig sein und dennoch können wir seine Worte nicht ignorieren. Die Familienbeziehungen innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft dürfen uns nicht von seiner Nachfolge abhalten.

Lk 9,59-62

Erziehung

100

Kirchliche Gemeinschaft ist eine Schule der Jüngerschaft Christi für Jung und Alt. Wahre Erziehung ist immer darauf gerichtet, den Geist zu beleben, so dass der ganze Mensch auf Christus und seinen Auftrag ausgerichtet wird. Alle Mitglieder müssen lernen, konzentriert mit Geist und Verstand zu arbeiten, um alle ihre Fähigkeiten bestmöglich zu entfalten. Wenn wir Christus lieben, interessieren wir uns für Gottes Werk in der gesamten Weltgeschichte und werden uns mit den sozialen, politischen und kulturellen Strömungen unserer Zeit auseinandersetzen.

Tit 2,1-8
Apg 7,22
Apg 14,15-17; Röm 1,18-20
Apg 17,16-31; Dan 1,3-4,17

101

In diesem Kontext findet die Erziehung der Kinder und Jugendlichen statt. Die Kinder sollen nicht dazu erzogen werden, den Wünschen oder Ambitionen ihrer Eltern oder eines anderen zu entsprechen. Jedes Kind ist ein Gedanke Gottes. Daher bedeutet Erziehung, den göttlichen Funken, der jedem Kind innewohnt, zu fördern und zu nähren und dem Kind zu helfen, zu der von Gott gedachten Person zu werden.

Jer 1,4-5

Aus gutem Grund heißt es in den Zehn Geboten und dem Neuen Testament: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren ... auf dass dir’s wohlgehe.“ Das emotionale und spirituelle Wohlergehen der Kinder beginnt mit ihrer Beziehung zu ihren Eltern. Es sind die Eltern, und nicht die Schule oder gar die Gemeinschaft, die primär zur Erziehung ihrer Kinder berechtigt und dafür verantwortlich sind. Gehorsam und Respekt gegenüber den Eltern und anderen Erwachsenen bilden die Grundlage für einen starken Charakter.

5 Mose 5,16; Kol 3,20
Eph 6,1-4
Spr 6,20-24

Freizügigkeit und Nachgiebigkeit sind bei der Erziehung von Kindern genauso zu vermeiden wie Moralismus und Gesetzlichkeit. Eltern und Lehrer müssen den Kindern wegweisende Mentoren sein auf ihrem Weg ins Erwachsensein. Jeder Versuch, auf die Seele eines Kindes Zwang oder Macht auszuüben, ist eine schwere Sünde. Jede Art von körperlicher Züchtigung ist verboten.

Mk 7,1-13
Kol 2,20-23; 3,21
Mt 18,5-7

102

Wo es möglich ist, betreiben unsere Gemeinschaften ihre eigenen Kindergärten und Schulen, die in der Regel nicht nur Kindern der Gemeinschaft, sondern auch Kindern aus der Nachbarschaft offen stehen. Die Bruderhofschulen möchten jedem Kind eine glückliche und konstruktive Kindheit bieten und dabei das Kind ganzheitlich erziehen. Das umfasst sowohl die gründliche akademische Unterweisung wie auch handwerkliche und praktische Fähigkeiten, Gesang und Kunst, freies Spiel, Sportsgeist und Naturerfahrung. Darüber hinaus werden Geschichte und Literatur so unterrichtet, dass die Verknüpfungen über die Jahrhunderte und Kulturen hinweg nachvollziehbar werden.

Unsere Schulen betonen die Wichtigkeit von Respekt, Selbstdisziplin und einer guten Arbeitsethik. Am wichtigsten aber ist es, dass die Kinder ihre Fähigkeit zu lieben entwickeln, indem sie für andere sorgen und ihnen dienen.

1 Tim 4,7-8
2 Petr 1,5-9

103

Die Jugend und das junge Erwachsenenalter haben wie die Kindheit ihre eigenen gottgegebenen Qualitäten. Eine Gemeinschaft braucht genauso wie die Gesellschaft im allgemeinen den Unruhe stiftenden Überschwang der Jugend und sollte diesen auch willkommen heißen, denn sonst kann sie weder flexibel noch lebendig bleiben. Niemals sollten wir junge Menschen zwingen, sich wie gestandene Erwachsene zu verhalten, sondern ihnen helfen, ihren Enthusiasmus konstruktiv und zielgerichtet einzusetzen. Wir müssen ihnen helfen, dass sie ihre eigenen Überzeugungen erlangen und ihre Gedanken ausdrücken, so lange diese ernsthaft und respektvoll bleiben, auch wenn das Ergebnis daraus unbequem oder ungewöhnlich sein mag.

Nach Abschluss der Schule gehen viele unserer jungen Leute einem Studium oder einer Berufsausbildung nach (wobei die Gemeinschaft nicht grundsätzlich verpflichtet ist, irgendeine Berufsausbildung anzubieten). Andere wiederum nutzen die Möglichkeiten eines Freiwilligenjahres oder erlernen praktische Fähigkeiten an einem Arbeitsplatz.

1 Joh 2,12-14; Pred 11,9; 12,1
1 Tim 4,12; Jer 1,6-7

Wenn junge Menschen, die innerhalb unserer Gemeinschaften aufgewachsen sind, einen Lebensweg außerhalb der Gemeinschaft wählen, wird entsprechende Unterstützung angeboten, damit sie sich auf ihre eigenen Füße stellen können. Wir freuen uns, wenn die Beziehungen mit diesen jungen Menschen fortdauern, sofern es in gegenseitiger Achtung geschieht. Ob sie bleiben oder gehen: Wir beten, dass sie Gottes Willen finden in einem Leben im Dienst für andere.

Phil 1,9-11

Der Einzelne in der Gemeinschaft

104

So wie wir durch ein Prisma die verschiedenen Farben des Spektrums sehen können, finden wir in einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern Gottes Ebenbild auf verschiedene Weise widergespiegelt. Wir freuen uns an ihnen allen und lehnen jeden Versuch ab, Menschen zu vereinheitlichen. Da alle von gleichem Wert sind, müssen alle die Freiheit haben, ganz sie selbst zu sein. Je mehr Originalität unter uns ist, umso lebendiger wird unsere Gemeinschaft sein.

1 Kor 12
Röm 15,7

Gleichzeitig gilt es zu unterscheiden zwischen einer gesunden Selbstbestimmung einerseits, die darin besteht, in Übereinstimmung mit seinem eigenen Gewissen zu leben, und einem selbstzentrierten Individualismus andererseits, welcher alles aus seiner eigenen Perspektive sieht und auf den eigenen Vorteil schielt. Während Ersteres für eine lebendige Gemeinschaft entscheidend ist, wird Letzteres sie zerstören.

Phil 2,1-5

105

Jesus nannte seine Jünger „Freunde“ und teilte ihnen offen mit, was er im Herzen trug. So wollen auch wir Freunde miteinander sein und einander in brüderlicher und schwesterlicher Zuneigung so schätzen, wie wir sind.

Joh 15,14-15
Röm 12,10

Jeder von uns hat natürliche Talente und Gaben, die uns einmalig machen. Für sich alleine genommen, sind diese aber weder Hilfe noch Hindernis dabei, Christus zu dienen. Wir müssen uns von der Vorstellung befreien lassen, unseren eigenen Wert bemessen zu wollen, damit wir uns weder etwas auf unsere Leistungen einbilden noch von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt werden. Ein jeder von uns ist aufgerufen zu geben, was er zu geben vermag.

Eph 2,10
Phil 3,3-11
Eph 2,8-10
Mt 25,14-30
Lk 21,1-4

106

In der äußerlichen Gestaltung unseres Gemeinschaftslebens möchten wir unabhängig sein von den konformistischen Zwängen der Konsumkultur. Auch wenn diese eine scheinbar unbegrenzte Wahlfreiheit anbietet, ist sie doch oftmals künstlich und feindlich gegenüber dem Wachsen wahrer Individualität und Integrität.

Röm 12,1-2; Jak 4,4
1 Joh 2,15-17

Deswegen lehnen wir mit unserem Kleidungsstil Trends und Moden ab, denn diese sind so oft bedingt durch ein Streben nach Status und oberflächlicher Attraktivität. Die Kleidung der Mitglieder drückt unsere Werte aus: Einfachheit, Gleichheit und Bescheidenheit. Sie berücksichtigt Gottes Schöpfungsgedanken, dass Mann und Frau sich unterscheiden und doch beide in seinem Bild geschaffen sind.

Mt 6,28-33
1 Petr 3,1-5; Jak 2,1-8
1 Kor 11,2-16

107

Das einzig sichere Fundament für die Integrität des Einzelnen liegt in der gelebten Beziehung zu Christus. Unser Leben in Gemeinschaft wird dahinwelken wenn nicht ein jeder von uns persönlich mit ihm verbunden bleibt. Deswegen sind Zeiten der Ruhe, in denen man alleine vor Gott steht, für jeden Bruder und jede Schwester wichtig. Daher hat jeder die Aufgabe, den richtigen Rhythmus zu finden zwischen Allein- und Zusammensein, zwischen der Begegnung mit Gott in der Einsamkeit und in der Gemeinschaft mit anderen.

Phil 1,21; Kol 3,1-3
Joh 15,1-8
Mk 1,29-39; Mt 14,22-23

Alle Mitglieder sollen sich gewissenhaft Zeit zum persönlichen Gebet nehmen: morgens, abends und über den Tag hinweg. Alle müssen aktiv dazu beitragen, dass Christus allein Herr über und unter uns ist. Dann wird Gott der Weg frei gemacht, seine Liebe über uns und der Welt auszugießen, und dann kann er große Taten bewirken und „unendlich viel mehr tun, als wir erbitten oder uns ausdenken können.“

Joh 14,12-14
Eph 3,14-21

Der gemeinsame Tisch

108

Ein wichtiger und fröhlicher Teil des Gemeinschaftslebens sind die Mahlzeiten, die wir täglich miteinander teilen, von denen jede auch eine Zeit der Danksagung ist. Wir laden häufig Besucher, Nachbarn und Freunde als Gäste zu unseren Mahlzeiten ein. Das kann im Haus einer Familie sein oder im gemeinsamen Speisesaal. Durch die gelebte und von der Schrift gebotene Gastfreundschaft ist jeder bereichert. Beim gemeinsamen Essen feiern wir verschiedene Anlässe, Geburtstage und Jahrestage, oft untermalt durch Darbietungen der Kinder, Musik oder andere Beiträge. Die großen Feiertage im Kirchenkalender begehen wir besonders festlich, so wie Advent und Weihnachten, die Karwoche und Ostern, den Himmelfahrtstag und Pfingsten.

Apg 2,46; 1 Tim 4,4
Hebr 13,1-2; 1 Petr 4,9

Wenn sie im Geiste der Danksagung eingenommen wird, erhält jede Mahlzeit eine tiefere Bedeutung durch das Beispiel Jesu. Er aß und trank mit den Ausgestoßenen und Sündern, speiste die Fünftausend und brach das Brot mit seinen Jüngern als Zeichen der Freundschaft. In der Offenbarung des Johannes spricht er von seinem Wunsch, dass er auf gleiche Weise unter uns sein will: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen und er mit mir.“

Mk 2,13-17; Lk 14,12-24
Joh 6,1-15
Joh 21,1-14
Offb 3,20

So können unsere gemeinsamen Mahlzeiten zu festlichen Feiern der Gemeinschaft werden. Sie verweisen auf das Ziel unserer Hoffnung: das Kommen des Reiches Gottes. Jesus sprach von diesem Tag als dem eines Hochzeitsfestes, zu dem die ganze Welt geladen ist. In der symbolhaften Beschreibung im Buch der Offenbarung wird dieses Fest eine große Versammlung aller Völker und Nationen sein, die zusammengekommen sind, um den Triumph von Gottes Liebe und Gerechtigkeit zu feiern: „Da hörte ich etwas wie den Ruf einer großen Schar und wie das Rauschen gewaltiger Wassermassen und wie das Rollen mächtiger Donner:

Mt 22,1-14

Halleluja! Denn König geworden ist der Herr, unser Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung. Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre erweisen. Denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes.“

Offb 19,6-7

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