Aufeinander zugehen und miteinander teilen in Manhattan
Anita Clement 1977 –
Anita lebt seit neun Jahren im Harlem House, dem Außenposten des Bruderhofs im New Yorker Stadtteil Manhattan und arbeitet hauptsächlich als Kinderpflegerin und freiberufliche Grafikdesignerin. Außerdem arbeitet sie jede Woche ehrenamtlich in der Bowery Mission und organisiert gerne Straßenfeste – normalerweise findet man sie beim Kinderschminken.
Ich liebe Harlem. Es ist mein Zuhause, auch wenn es ganz anders ist als das ländliche Connecticut, wo ich aufgewachsen bin. Ich sage immer, dass ich lieber Menschen als Bäume sehe, und bei so vielen Menschen um mich herum gibt es immer die Möglichkeit, mit jemandem in Kontakt zu treten, der vielleicht ein gutes Wort braucht. So wie einmal eine Frau in der U-Bahn, die ihren Kopf zurückgelegt und die Augen geschlossen hatte, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Es gab einen freien Platz neben ihr, also setzte ich mich hin und fragte sie, ob es ihr gut ginge, und sie erzählte mir, dass ihre Großmutter, die sie großgezogen hatte, gerade in Florida gestorben war und sie nicht zur Beerdigung gehen konnte.
Als meine Haltestelle kam, stieg ich nicht aus, sondern entschied mich, solange in der U-Bahn zu bleiben, wie die Frau reden wollte. Dann gab ich ihr meine Nummer und sagte: „Wenn du heute Abend nicht allein sein möchtest, kannst du gerne zu mir zum Abendessen kommen.“ Am Ende kam sie doch vorbei, und ich glaube, sie war ein bisschen überrascht, als sie hereinkam und die ganze Gemeinschaft am Esstisch sah. Aber es stellte sich heraus, dass sie ein paar Jahre zuvor schon einmal bei uns zu Hause gewesen war. Sie meinte: „Ich habe schon mal bei euch gegessen.“
Jeden Abend zum Gemeinschaftsessen nach Hause zu kommen und mit den Menschen, mit denen ich zusammenlebe, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, macht es für mich leichter, auf Menschen zuzugehen und zu versuchen, diesen Frieden mit Menschen zu teilen, die einsam oder traurig erscheinen.