MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DER FAMILIE MOODY
Gute-Nacht-Geschichten
Eine Computerspielerin wird zur Verfechterin klassischer Literatur und Vorlesens in der Familie
Dori Moody 1974 –
Dori wuchs in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Maryland in einem glücklichen, aber chaotischen Elternhaus mit zehn Kindern und zwei Eltern auf. Ihre Eltern waren erst kurz zuvor eingewandert und keiner von ihnen sprach Englisch als Muttersprache. Als Kind fand sie in Büchern und für kurze Zeit auch in Computerspielen einen Platz für sich.
Doris Liebe zum Lesen geht auf die zweite Klasse zurück, als sie miterlebte, wie ihre Lehrerin beim Durchstöbern eines Bücherregals auf eines ihrer alten Lieblingsbücher stieß, tief Luft holte und es umarmte. Es dauerte nicht lange, bis sie alles verschlang, was sie in die Finger bekommen konnte, von Madeleine L’Engle bis Roald Dahl.
Heute ist Dori Buchhalterin in Danthonia und Mutter von vier Kindern. Sie ist immer noch ein unersättlicher Bücherwurm und bloggt über die Vorzüge des Vorlesens. Mittlerweile hat sie ihrer Familie 135 Bücher vorgelesen. Sie hat eine ganze Reihe an Gründen parat, warum Vorlesen wichtig ist:
Es erweitert den geistigen Horizont. Es fördert die Vorstellungskraft. Sie bringt Menschen zu einer gemeinsamen Aktivität zusammen.
Wenn Sie Ihren Kindern beibringen, zuzuhören, bringen Sie ihnen auch Mitgefühl bei. Unsere Welt hat so viele Risse durch Konflikte und Missverständnisse. Das liegt oft einfach daran, dass wir nicht bereit sind, den Geschichten anderer Menschen zuzuhören: uns in ihre Lage zu versetzen, um herauszufinden, warum sie so sind, wie sie sind. Das zu tun kostet Zeit und Anstrengung. Wie ein gutes Buch enthält das Leben verschiedene Bedeutungsebenen, Rätsel und Geheimnisse.
Manche Hörbücher sind fantastisch, aber sie sind kein Ersatz fürs Vorlesen. Wenn es zum Beispiel eine lustige Textstelle gibt und alle vor Lachen umfallen, wird eine Aufnahme einfach weiterlaufen. Man wird Teile der Geschichte einfach verpassen. Wenn jemand vorliest, hält er inne und freut sich mit seinen Zuhörern, oder er wiederholt eine Zeile, oder er lässt jemanden ein Wort in einem Wörterbuch nachschlagen oder eine Reise auf einer Karte nachzeichnen.
Beim Vorlesen wird die Fähigkeit zum Zuhören geschult. Und ich kann nur hoffen, dass meine Kinder, wenn sie erwachsen werden, anderen gegenüber aufmerksam sein werden, insbesondere Leuten, die einsam sind oder Hilfe brauchen. Ich hoffe, dass sie ihnen genauso intensiv zuhören, wie jetzt, wenn ich ihnen vorlese.
Dori erinnert sich, dass Computer Anfang der 1980er Jahre, als sie in der dritten Klasse war, über Rechtschreibspiele in die Schulen in Maryland kamen. Einige Jahre später überzeugte ihr älterer Bruder John ihre skeptischen Eltern, dass sie auch zu Hause einen Computer brauchten.
Es war ein Apple IIe. Innerhalb weniger Wochen nach der Ankunft dieses wunderbaren weißen Kastens mit seinem fesselnden, flackernden Bildschirm saß ich stundenlang an der Seite meines Bruders und konnte an nichts anderes denken als an Computerspiele. Wir wiesen unsere misstrauischen Eltern häufig darauf hin, dass sie harmlos seien, dass sie uns Ritterlichkeit und Tapferkeit beibrachten, wie Tolkiens Geschichten über Mittelerde. Aber eines Nachts um zwei Uhr morgens kam Mama herein, unterbrach mein Ultima-Spiel und zog einfach den Stecker heraus. Papa verkaufte den Computer. Ich ging zurück zu meinen Büchern.
Heute, als Buchhalterin, arbeite ich den ganzen Tag am Computer. Wahrscheinlich bin ich von schnellen Ergebnissen verwöhnt und verlasse mich mehr auf die Technik als auf meinen Verstand. Trotz allem liebe ich die Software, die eine Schnittstelle zwischen Logistik und Produktion bildet. Ich liebe die Einfachheit von Online-Banking. Ich liebe es, wie gut man mit E-Mails alles organisieren kann. Im Allgemeinen bin ich dankbar, dass mein Computer die Arbeit angenehm macht und mir viel Mühe abnimmt.
Gleichzeitig macht sich Dori Gedanken über das, was sie die „schleichende Invasion der Computer“ nennt, die Art und Weise, wie wir uns in allen Bereichen – von der Arbeit über Unterhaltung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen – zu sehr von Technologie abhängig machen, und über die süchtig machende Wirkung von Bildschirmen:
Ich habe weniger Willenskraft, als ich zugeben möchte. Wenn ein Fernseh- oder Computerbildschirm in Sichtweite ist, kann ich mich nicht davon abhalten, hinzuschauen. Auch die blödeste Werbung lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich.
Kürzlich reiste ich mit dem Zug, und es fiel mir auf, dass jeder meiner Mitreisenden in seiner eigenen Welt lebte: mit Ohrstöpseln in den Ohren und die Augen auf die Bildschirme geheftet. Es war eine Stille wie auf einem Friedhof. Wer zwingt uns, so dazusitzen? Niemand hält uns dort gefangen. Niemand hat uns mit einem Zauberspruch belegt, der uns in diesem Zustand hält. Solange wir leben, ist es immer noch möglich, daraus auszubrechen und direkten Kontakt mit anderen Menschen zu haben. Die Welt da draußen ist voller Leben! Aber zuerst müssen wir unsere Smartphones weglegen.
Dori liest “Ivanhoe” von Sir Walther Scott